Forschungsstelle Public Health

Corona schlägt Studierenden auf die Psyche

Sie fühlen sich eingesperrt, leiden unter der sozialen Isolation und weisen depressive Symptome auf: Für viele Studentinnen und Studenten in der Schweiz stellt Corona eine grosse Belastung dar, wie eine Studie des ZHAW-Instituts für Public Health zeigt.

Wie wirkt sich die Coronapandemie auf die Gesundheit und das Wohlbefinden von Schweizer Studierenden aus? Dieser Frage sind Forschende des Instituts für Public Health am ZHAW-Departement Gesundheit in einer inzwischen abgeschlossenen Studie nachgegangen. Um Antworten zu erhalten, führten sie vom Frühlingssemester 2020 bis im Frühlingssemester 2021 mit Studierenden der ZHAW neun Befragungen durch. An diesen nahmen insgesamt 6853 Studierende beziehungsweise rund 50 Prozent der gesamten Studierendenschaft der Hochschule teil. Dabei zeigte sich: Die Pandemie und die Massnahmen zu ihrer Eindämmung stellt für viele der Studierenden eine grosse Belastung dar. Über alle Befragungen hinweg wiesen im Schnitt über 30 Prozent der Studierenden depressive Symptome auf. Dabei nahm der Anteil im Verlauf der Pandemie deutlich zu: von 27 Prozent bei der ersten Befragung im April 2020 auf mehr als 35 Prozent in der letzten Befragung im Juni 2021.

«Studium ist noch da, Freunde sind weg.»

Wie die Studie ebenfalls zeigt, hat im Verlauf der Befragungen bei den Studierenden eine gewisse Gewöhnung an die durch die Pandemie verursachten Studienbedingungen stattgefunden. Hatte zu Beginn der Schliessung der Hochschulen noch etwas über die Hälfte (53 %) den erhöhten Selbststudienanteil im Online-Unterricht als grosse Herausforderung empfunden, fiel der Anteil im zweiten Pandemiesemester um 10 Prozent.

Doch trotz dieser teilweisen Gewöhnung stellte die Pandemie für viele Studierende bis zu den letzten Befragungen im Frühjahr 2021 eine Belastung dar. Gefragt nach den Auswirkungen der Pandemie auf den Alltag und das Studium, gaben im März 2021 rund 45 Prozent der Teilnehmenden an, sich einsam zu fühlen, um die 40 Prozent fühlten sich eingesperrt, erlebten mehr Spannungen und Konflikte oder langweilten sich. Über 80 Prozent fehlte zu diesem Zeitpunkt der Kontakt zu den Mitstudierenden. Eine Teilnehmende schrieb dazu in einem Kommentar: «Studium ist noch da, Freunde sind weg.»

Mehr Alkohol und Cannabis im Lockdown
Neben den Auswirkungen der Pandemie auf die psychische Gesundheit, das Wohlbefinden, den Alltag und das Studium wurde in den Befragungen auch das Gesundheitsverhalten thematisiert. Im Fokus stand dabei der Konsum von legalen und illegalen Suchtmitteln. Dabei zeigte sich, dass insbesondere während des Lockdowns im Frühling 2020 der Konsum von Alkohol und Cannabis zugenommen hat. Von den Studierenden, die regelmässig Cannabis konsumieren, rauchte im Lockdown rund ein Drittel mehr als zuvor. Und 18 Prozent der Studierenden, die in den 30 Tagen vor der Befragung Alkohol getrunken hatten, berichteten von einem erhöhten Konsum. «Diese schwierige Phase der Pandemie hat das Risiko- respektive Suchtverhalten, das ein Teil der Studierenden aufweist, verstärkt», sagt Julia Dratva.

Gezieltere Massnahmen für vulnerable Studierende
Angesichts der Ergebnisse kommt die Studienleiterin zum Schluss, dass für die Unterstützung von Studierenden in künftigen Krisen eine One-Size-Fits-All-Lösung nicht ausreicht. Hochschulen sollten gezielt Massnahmen für jene Studierenden entwickeln, die weniger gut mit dramatischen Veränderungen umgehen können. «Studentinnen und Studenten, für die eine solche Krise eine grosse Belastung darstellt und die bei ihnen grosse Ängste auslöst, müssen mit kommunikativen Massnahmen und Unterstützungsangeboten besser aufgefangen werden.» Dabei sei auch ein offener Umgang mit psychischen Belastungen wichtig. «Diesbezüglich besteht bei Studierenden nach wie vor die Angst vor einer Stigmatisierung.»

Vertrauen in die Behörden, Einhaltung der Massnahmen, Impfbereitschaft

Die Forschenden am Institut für Public Health haben in den Befragungen neben den gesundheitlichen auch andere Aspekte der Pandemie aufgegriffen. So konnten sich die Studierenden beispielsweise zum Vertrauen in die Arbeit der Behörden, vor allem des Bundes, äussern. Befragt wurden sie auch zur Einhaltung der Covid-19-Massnahmen oder dazu, welche Kanäle sie nutzten, um sich über die Pandemie zu informieren. Ebenfalls thematisiert wurden in einigen der neun Umfragen die Auswirkungen der Pandemie auf die Erwerbstätigkeit der Studierenden. In die letzten Befragungen ab Ende Dezember 2020 floss zudem das Thema Impfen ein. Die Detailergebnisse zu diesen und anderen Aspekten wurden in verschiedenen Berichten auf der Projektwebsite veröffentlicht.


Health in Students during the Corona pandemic (HES-C)

Projektleitung
Prof. Dr. med. Julia Dratva (Forschung ZHAW-Institut für Public Health)

Projektteam
Prof. Dr. Thomas Volken, Dr. Annina Zysset und Nadine Schlatter (Forschung ZHAW-Institut für Public Health), Prof. Dr. Agnes von Wyl (ZHAW-Department Angewandte Psychologie)

Finanzierung
Eigenmittel

Projektpartner
Alias – Studierende der ZHAW, Verein Studierende der ZHAW