Neue Technologien – Hightech für Seniorinnen und Senioren
Mit digitalen Tools gegen die soziale Isolation
Forschende am Institut für Pflege suchen mit der Spitex nach neuen Lösungen gegen die Isolation von Seniorinnen und Senioren, die sich mit der Coronapandemie verschärft hat. Gelingen Kommunikation und Monitoring mit digitalen Hilfsmitteln?

Sie waren aufgefordert, zuhause zu bleiben, auf den Besuch von Kindern und Enkeln zu verzichten, den Einkauf nicht selbst zu erledigen: Seit dem Ausbruch der Coronapandemie im Frühjahr 2020 mussten viele ältere Menschen über Monate weitgehend auf soziale Kontakte verzichten. Die gegen die Pandemie ergriffenen Massnahmen des Social Distancing haben damit ein Problem verschärft, das vor allem bei pflegebedürftigen Seniorinnen und Senioren ohnehin schon stark ausgeprägt ist: die soziale Isolation. Diese kann sich, so zeigen zahlreiche Studien, negativ auf die mentale und körperliche Gesundheit auswirken. «Corona hat das Problem verschärft und gleichzeitig sehr stark sichtbar gemacht», sagt Franzisca Domeisen Benedetti, Forscherin am ZHAW-Institut für Pflege. Im Rahmen des Projekts «Digital Support Against Social Isolation» erforscht sie, wie der Vereinsamung pflegebedürftiger, älterer Menschen mit digitalen Tools entgegengewirkt werden kann. «Der Fokus des Projekts liegt dabei auf Personen, die zuhause leben. Für diese ist die Spitex oft der einzige soziale Kontakt.»
«Wenn man so will, ist Einsamkeit eine chronische Erkrankung»
Audio-Interview mit André Fringer, Projektleiter «Digital Support Against Social Isolation» und Co-Leiter Forschung und Entwicklung Institut für Pflege)
Spitex wurde weniger in Anspruch genommen
Das Projekt, an dem neben Pflegeforschenden auch Wissenschaftler der ZHAW School of Engineering beteiligt sind, soll aufzeigen, ob und welche digitalen Tools Spitexorganisationen zur Kommunikation und zum Monitoring seit dem Ausbruch der Pandemie einsetzen, um die soziale Isolation ihrer Klientinnen und Klienten zu reduzieren. Diese Isolation hatte – zumindest aus Sicht von rund 390 befragten Spitexorganisationen – insbesondere im Frühling 2020 und Winter 2020/2021, in denen strenge soziale Einschränkungen galten, deutlich zugenommen. So gaben die Organisationen an, dass während diesen Phasen der Pandemie rund 85 Prozent ihrer Klientinnen und Klienten sozial isoliert und einsam waren. Im Sommer 2020, in dem viele Einschränkungen gelockert wurden, lagen die Werte bei knapp 50 Prozent.

Die Befragung der Spitexorganisationen zeigte zudem, dass ihre Dienstleistungen während der Pandemie von den Klienten weniger stark in Anspruch genommen wurden, vor allem aus Angst vor einer Infektion, und dass die Spitex ihre Besuche reduzieren musste, zum Beispiel wegen Personalmangels.
«Die Palette an Kommunikationskanälen zwischen pflegebedürftigen Menschen und ihren Familien ist breiter als im Kontakt mit der Spitex.»
Als Ersatz für den reduzierten direkten Kontakt mit den Klientinnen und Klienten sowie deren Angehörigen kamen gemäss Angaben der Organisationen hauptsächlich Telefongespräche, E-Mails und Textnachrichten (SMS; Chat-App) zum Einsatz; gelegentlich wurden auch Notfallknöpfe und -uhren genannt. «Weitere digitale Tools wie beispielsweise Videotelefonie wurden dagegen kaum genutzt», sagt Domeisen Benedetti. Das liege unter anderem am Alter der Klientinnen und Klienten, an der damit einhergehenden Unvertrautheit mit der Digitalisierung sowie an kognitiven oder körperlichen Einschränkungen, aber nicht nur: Denn eine Befragung von rund 190 Betroffenen und Angehörigen ergab, dass diese etwa Videotelefonie durchaus für den digitalen Austausch nutzen. «Die Palette an Kommunikationskanälen zwischen pflegebedürftigen Menschen und ihren Familien ist breiter als im Kontakt mit der Spitex», sagt Domeisen Benedetti. Sie vermutet, dass die Spitex den direkten Kontakt digitalen Lösungen vorziehe. «Und während der vergangenen Monate lagen die Prioritäten wohl nicht auf der Einführung neuer digitaler Tools.»

Auch wenn die Befragung der pflegebedürftigen Seniorinnen und Senioren sowie der Angehörigen noch nicht komplett ausgewertet ist, geht die Pflegeforscherin davon aus, dass der Bedarf nach neuen digitalen Kommunikations- und Monitoringlösungen vorhanden ist. «Zumindest ein Teil der Betroffenen und Angehörigen scheint digitalen Tools im Kontakt mit der Spitex nicht abgeneigt zu sein.»
Eine App mit verschiedensten Funktionen
Die Ergebnisse aus dem Projekt wollen die Forschenden deshalb in einem nächsten Schritt dazu nutzen, um selber eine digitale Kommunikations- und Monitoringanwendung zu entwickeln. «Eine solche App könnte verschiedene Funktionen vereinen, wie etwa Videotelefonie, einen Chat, Erinnerungen für die Einnahme von Medikamenten oder eine Art digitales Tagebuch», erklärt Domeisen Benedetti. In das Tagebuch könnten Klientinnen und Klienten täglich eintragen, wie es ihnen geht. «Zeigt sich in diesen Einträgen ein Muster, das darauf hindeutet, dass jemand traurig ist oder sich einsam fühlt, könnte die Spitex dieser Stimmung mit häufigeren Besuchen entgegenwirken.»
Beschleunigte digitale Transformation
«Digital Support Against Social Isolation» ist eines von verschiedenen Projekten, die von der Initiative «ZHAW digital» finanziell unterstützt werden. Die Projekte befassen sich mit Themen der zurzeit beschleunigten, digitalen Transformation und sollen einen übergeordneten Nutzen während der Pandemie stiften.
Dr. Franzisca Domeisen Benedetti
ZHAW Gesundheit
Institut für Pflege
Katharina-Sulzer-Platz 9
8400 Winterthur
Weitere Informationen
Use of digital tools for socially isolated people in home care and their relatives during social distancing – digital support against social isolation (DASI)
Projektleitung
Prof. Dr. André Fringer (Forschung und Entwicklung, ZHAW-Institut für Pflege)
Stellv. Projektleitung
Dr. Franzisca Domeisen Benedetti (Forschung und Entwicklung, ZHAW-Institut für Pflege)
Projektteam
Prof. Dr. Mathias Bonmarin und Dr. Martin Loeser (ZHAW School of Engineering), Sabrina Stängle (Forschung und Entwicklung, ZHAW-Institut für Pflege)
Finanzierung
Interne Förderung (ZHAW digital / Digital Futures Fund)