Prävention für ein gesünderes Altern

Die Wohnung anpassen, bevor es zuhause nicht mehr geht

Würden Massnahmen für altersgerechtes Wohnen präventiv erfolgen, könnten viele Menschen länger selbstständig wohnen. Ein Forschungsprojekt des Instituts für Ergotherapie zeigt auf, was es dazu braucht.

Wenn ältere Personen aus gesundheitlichen Gründen Mühe haben, ihren Alltag selbstständig zu bestreiten, nehmen sie häufig Spitex-Dienste in Anspruch. Bei den Hausbesuchen stellen die Pflegefachpersonen und Haushalthilfen dann immer wieder fest, dass die Wohnungen wenig altersgerecht eingerichtet sind. Verschlechtert sich der Gesundheitszustand, sind Schwierigkeiten absehbar. «Mit fachkundiger Beratung und kleinen Anpassungen könnten unsere Klienten länger selbstständig wohnen», ist Hannes Koch, Leiter der Spitex Kriens, überzeugt. Sinnvoll wäre es, die Massnahmen bereits frühzeitig umzusetzen, findet er. Doch ein präventiver Ansatz ist im bisherigen System nicht vorgesehen. Um die Möglichkeiten auszuloten und ein Konzept zu entwickeln, ist der Spitex-Leiter an die ZHAW gelangt. Aus der Anfrage entstand ein gemeinsames Forschungsprojekt von Forschung und Entwicklung am ZHAW-Institut für Ergotherapie, der Spitex Kriens und des Zentrums für Ergotherapie Luzern.

«Viele wären sogar zu einem Umzug bereit, um selbstständig zu bleiben.»

Um die Bedürfnisse und Erfahrungen beim selbstständigen Wohnen zu erheben, führte das Projektteam in einem ersten Schritt Gruppeninterviews mit Spitex-Klientinnen und -Klienten, deren Angehörigen sowie mit Fachpersonen durch. Eine der Erkenntnisse war, dass nicht alle Seniorinnen und Senioren wie oft angenommen für immer in der angestammten Wohnung bleiben wollen. «Am wichtigsten ist ihnen die Autonomie», so das Fazit von Thomas Ballmer, Mitglied des Forschungsteams vom Institut für Ergotherapie. «Viele wären sogar zu einem Umzug bereit, um selbstständig zu bleiben.»

Die Finanzierung präventiver Interventionen ist lückenhaft
Zudem ist nicht immer nur die Wohnung das Problem, sondern häufig auch die Umgebung. So kann beispielweise eine Baustelle im Quartier für Personen mit Rollator ein grosses Hindernis darstellen. Als weiterer Stolperstein haben die Forschenden mangelnde Kenntnisse der Hilfsangebote wie etwa Mahlzeiten-, Transport- und Entlastungdienste ausgemacht sowie eine lückenhafte Finanzierung baulicher und präventiver Interventionen. Während die IV zum Beispiel den Einbau einer behindertengerechten Badewanne mit Seiteneinstieg bezahlt, übernimmt die AHV solche Kosten nicht.

Veränderungen brauchen Zeit
In einer zweiten Phase des Projekts wurden in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Ergotherapie Luzern Interventionen umgesetzt. Zwei Ergotherapeutinnen besuchten fünf ausgewählte Klientinnen und Klienten der Spitex Kriens zuhause und berieten sie. In einem Fall wurde zum Beispiel neben der Toilette die Installation eines Griffs in die Wege geleitet, welcher der Bewohnerin das Aufstehen erleichtert. Einem Ehepaar empfahlen die Fachfrauen, einen Teppich zu entfernen, weil dieser eine Sturzgefahr darstellte. Zudem erhielt der Mann, der seine demente Frau betreut, Angaben zu Entlastungsangeboten. Und bei einer Frau im Rollstuhl fertigten die Fachfrauen einen Stock mit einer speziellen Konstruktion an, damit sie beim Verlassen der Wohnung die Haustür schliessen kann. «Oft helfen einfache Interventionen. Dennoch kommen viele nicht selber auf die Idee», stellt Ergotherapeutin Nathalie Boppart fest. Eine Verhaltensänderung passiere aber in der Regel nicht von heute auf morgen, sondern benötige verschiedene kleinere Schritte. «Gewohnheiten sind meist tief verankert.»

Zusammenarbeiten und dranbleiben
Wichtig ist deshalb nicht nur, dass Spitex-Mitarbeitende potenzielle Probleme frühzeitig erkennen und die Ergotherapie einschalten, sondern auch, dass sie die Umsetzung der vorgeschlagenen Massnahmen längerfristig begleiten. «Es braucht eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten», betont Thomas Ballmer. Die Ergotherapie bringe eine ganzheitliche Betrachtung aller Lebensbereiche mit Fokus auf die menschliche Betätigung ein. «Dies ermöglicht älteren Menschen mehr Autonomie, soziale Teilhabe und Lebensqualität.» Nach der Auswertung der ersten Erfahrungen soll die Zusammenarbeit zwischen Spitex und Ergotherapie genau definiert und sollen die Abläufe festgelegt werden. Das Projektteam hofft, dass weitere Spitex-Dienste oder auch Organisationen wie Pro Senectute das Konzept später übernehmen.


Präventive Wohnraumanpassung: Autonomie und Partizipation für ältere Menschen mit chronischen Erkrankungen

Projektleitung
Prof. Dr. Brigitte Gantschnig (Forschung und Entwicklung, ZHAW-Institut für Ergotherapie)

Stv. Projektleitung
Prof. Dr. Verena Klamroth-Marganska (Forschung und Entwicklung, ZHAW-Institut für Ergotherapie)

Projektteam
Thomas Ballmer und Myrthe Mali (Forschung und Entwicklung, ZHAW-Institut für Ergotherapie), Hannes Koch (Spitex Kriens), Christa Wenger (Zentrum für Ergotherapie Luzern)

Finanzierung
Beisheim Stiftung, Stiftung für Ergotherapie Zürich

Projektpartner
Spitex Kriens, Zentrum für Ergotherapie Luzern