Prävention für ein gesünderes Altern

Bechterew-Betroffene brauchen Bewegung

Für Menschen mit Bechterew ist körperliche Aktivität das A und O einer schmerzlindernden Therapie – gerade auch, wenn die Betroffenen schon etwas älter sind. Physiotherapieforschende haben zusammen mit der Schweizerischen Vereinigung Morbus Bechterew (SVMB) ein neues Programm entwickelt, das Fitnesstests und Bewegungs-Coaching kombiniert.

In der Schweiz leben schätzungsweise 80 000 Menschen mit Morbus Bechterew, einer chronisch-rheumatischen Krankheit. Sie tritt meistens zwischen dem 15. und 30. Lebensjahr auf und fängt häufig mit Entzündungen im Beckengelenk an, die dann bis auf die ganze Wirbelsäule übergreifen. Die Erkrankung verläuft meistens schleichend über Jahre bis ins hohe Alter, die Folgen können Verknöcherungen und Versteifungen sein. Morbus Bechterew ist nicht heilbar, doch die Schmerzen lassen sich insbesondere mit Medikamenten und Bewegung lindern.

Wie intensiv darf die Bewegung sein?
Lange Zeit war unklar, wie intensiv diese Bewegung für Bechterew-Betroffene sein darf oder soll. 2018 formulierte ein internationales Forschungsteam für die europäische Rheumaliga (EULAR) spezifische Bewegungsempfehlungen für Menschen mit rheumatoider Arthritis, Bechterew sowie Hüft- und Kniearthrose. Diese Empfehlungen basieren auf der Analyse vorhandener Forschung, aus der hervorgeht, dass die Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation WHO für Gesunde auch für Rheuma-Betroffene gelten. Das heisst: Zwischen zweieinhalb und fünf Stunden Ausdauertraining pro Woche sowie zwei bis drei Mal Kraft, Beweglichkeit, Geschicklichkeit und Koordination wöchentlich sind auch bei Menschen mit Bechterew wirkungsvoll und haben keine negativen Effekte.

Die EULAR-Bewegungsempfehlungen wurden von Karin Niedermann, Professorin im Fachbereich Physiotherapiewissenschaften am ZHAW-Institut für Physiotherapie, mitentwickelt. Auf Basis dieser Empfehlungen hat sie mit ihrem Team und in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Vereinigung Morbus Bechterew (SVMB) ein Therapiekonzept, das sogenannte BeFit, erarbeitet. «Mit unserem Programm wollen wir Bechterew-Betroffene ermutigen, sich viel zu bewegen und zusätzlich zur Gruppentherapie mehrmals pro Woche gezielt zu trainieren», sagt Karin Niedermann, und sie betont, dass es vor allem auch für ältere Menschen, die an der Krankheit leiden, sehr wichtig ist, sich regelmässig intensiv zu bewegen. «Aus Studien wissen wir, dass auch sie physisch belastbar sind, und gerade das BeFit-Programm macht es möglich, unabhängig vom Alter wirksam zu trainieren.» Mit regelmässigen Fitnesstests und persönlichen Beratungsgesprächen durch die therapieleitenden Physiotherapeutinnen und -therapeuten lässt sich das Programm auf den Fitness- und Gesundheitszustand jedes Einzelnen anpassen.

Nicht bloss Bewegungslektion, sondern Coaching
Vor drei Jahren wurde das BeFit-Konzept in einer Pilotstudie mit vier Bechterew-Bewegungsgruppen evaluiert. Aufgrund der Rückmeldungen der Teilnehmenden musste das Programm etwas entschlackt werden. «Wir wollten die Tests und Beratungen zunächst halbjährlich durchführen», so die Studienleiterin. «Für die Betroffenen war dies aber zu viel und wir reduzierten auf einmal pro Jahr.» Die abgespeckte BeFit-Version wird seither fortlaufend in die Therapiestunden aller Bechterew-Bewegungsgruppen der Schweiz integriert. Hierfür werden die Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten von Mitarbeitenden der ZHAW und der SVMB geschult, da sie nun nicht mehr «nur» eine Bewegungslektion durchführen, sondern auch Coach der Betroffenen sind.

«Die meisten halten das Programm für gut machbar und fühlen sich besser.»

Etwa die Hälfte der Personen, die an den Bewegungsgruppen teilnehmen, ist über 60 Jahre alt. Das Feedback auf BeFit sei durchwegs positiv, sagt Karin Niedermann. «Die meisten halten das Programm, das im Vergleich zu früher intensiver ist, für gut machbar und fühlen sich besser.» Das Training soll die Betroffenen fordern, aber nicht überfordern. «Dadurch haben sie positive Erlebnisse und sehen eine Leistungssteigerung.»

Unterstützt von Gesundheitsförderung Schweiz
2019 erhielten die ZHAW und die SVMB von der Stiftung Gesundheitsförderung finanzielle Unterstützung für die nationale Implementierung des Konzepts. Den Lead hierfür hat die SVMB übernommen. Das freut die langjährige Wissenschaftlerin. «Das Implementieren kann nur erfolgreich sein, wenn es sowohl auf der individuellen als auch auf der organisatorischen Ebene stattfindet, und hier leistet die SVMB grossartige Arbeit», sagt sie.

Im vergangenen Jahr wurden die Verantwortlichen allerdings ausgebremst. Corona liess keine Therapiestunden mehr zu, vor allem auch, weil Menschen mit Bechterew zu den Risikopatientinnen und -patienten gehören. In diesem Herbst soll es aber mit der BeFit-Implementierung weitergehen. «Noch fehlen einige Gruppen in der Deutschschweiz und in der französischsprachigen Schweiz», sagt Karin Niedermann. Sie rechnet damit, dass in zwei bis drei Jahren alle Bechterew-Bewegungsgruppen vom BeFit-Programm profitieren können.


Etablierung der internationalen Bewegungsempfehlungen für Rheuma-Betroffene in den Bechterew-Bewegungsgruppen

Projektleitung
Dr. Karin Niedermann (Forschung und Entwicklung, ZHAW-Institut für Physiotherapie)

Projektteam
Anne-Kathrin Rausch Osthoff (Forschung und Entwicklung, ZHAW-Institut für Physiotherapie)

Finanzierung
Zürcher Rheumastiftung, Kurt und Senta Herrmann Stiftung

Projektpartner
Schweizerische Vereinigung Morbus Bechterew (SVMB)